GUSTAV JAHN (1879 - 1919) Akadem. Maler, Grafiker und Alpinist |
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"Solange die Berge stehen in Ihrer ewigen Schönheit wird sein Name unvergesslich bleiben, unvergänglich aber fortleben werden seine Werke und der Geist, der ihn beseelte." Foto © Stanislaus Mischa Andrlik, Graz Blick auf die Hochtorgruppe im Geäuse und die Frauenkirche. Im Bild rechts der mächtige Ödstein (2335 m) mit der rund 600 Meter abfallenden N.W. Kante, der Absturzstelle von Gustav Jahn und Michael Kofler. Mit einem schrillen Mißklang zerbrach an jenem unglückseligen 17. August des Jahres 1919 jäh ein vollsaftiges und hoffnungsreiches Künstlerleben in der Einsamkeit eines der schönsten Hochkare der so geliebten Felswelt ... Foto © Andreas Hollinger / Nationalpark Gesäuse Ödstein, N.W. Kante Um 1900 war die “Ödsteinkante” eines der “großen Probleme der Alpen”. Am 28.08.1910 gelang endlich der erste Durchstieg durch die “Dolomitenspezialisten” Angelo Dibona, Luigi Rizzi sowie den Brüdern G. und M. Mayer. Die Route verläuft zu zwei Drittel über die Kante, ein Überhang erfordert den sogenannten „Preuß-Quergang“ - sehr ausgesetzt ! - wo sich der Absturz Gustav Jahn‘s nach Aussage des Bergungsteilnehmers Alfred Horeschofsky ereignet haben muß. Nach Aussagen Ortskundiger wurde an dieser Stelle auch der an die Wand gelehnte Pickel von Michael Kofler gefunden. Jahn war Vorausgänger und hatte den sichernden Kameraden Michael Kofler mitgerissen. Kofler hielt noch die Seilschlingen in der Hand und lag auf einem Felsband des Ödstein-Kars, Jahn etwas unterhalb, in drei Teile zerschlagen.
Foto © Nationalpark Gesäuse Rot markiert die vermutete Absturzstelle beim "Preuß-Quer-Gang" und die Fundstelle der beiden Verunglückten im oberen Ödsteinkar. (zum Vergrößern der Darstellung bitte auf das Bild klicken)
NW-KANTE (IV). Sehr schwierige Kletterei, eine der großartigsten der gesamten Gesäuseberge; an der Schlüsselstelle fester Fels. Der Einstieg (Originalweg Dibona) erfolgt am tiefsten Punkt der abfallenden NW-Kante, noch vor Beginn der engen Schneeschlucht, die den Zugang zur unmittelbaren N-Wand vermittelt. Zuerst über eine schwierige Wand und durch einen überhängenden Kamin auf ein Köpfel, dann schwierig rechts querend und sehr schwierig auf eine ebene Stufe. Durch ein schwach ausgeprägtes System von Spalten aufwärts, nach 1. zu einem Schuttplätzchen. PREUßEINSTIG (III): Durch einen sehr steilen, brüchigen Riß auf ein schönes, breites Band, das nach rechts bis zum Schuttplätzchen führt (Vereinigung mit dem Originalweg). Durch einen steilen Kamin auf ein höher gelegenes Band nach rechts zu einer Nische, durch einen überhangenden Spalt und über eine Wandstufe zur Kante. An dieser direkt aufwärts, bis sich die Steilheit mindert. Nun entweder über den Grat oder 1. in den Schrofen querend zum Sattel vor dem Steilaufbau der mittleren Kante. Vom Sattel über eine zunehmend steile, etwa 50 m hohe Wand an den Überhang, einen vorspringenden, abgestuften Wulst. Sehr schwierig über diesen auf die Stufe und darauf 2m nach 1. und über steile Platten zum zweiten Überhang. Darunter hinweg und über eine anschließende Platte zur Nische inmitten eines Steilaufbaues. Nun einige Möglichkeiten: (siehe Detailbild) Gustav Jahn und Michel Kofler nahmen von hier aus vermutlich den Preußquergang (b.) - eine verhängnisvolle Enstscheidung. B.) PREUßQUERGANG: (IV); Von der Nische nach 1. um eine als kleiner Kegel ausgeprägte Kante herum und 20m waagrecht über eine glatte Platte entlang zu einem Schartel in einem vorspringenden, kanzelartigen Band. Dann 3 m nach 1. und gerade aufwärts zum Originalweg (nur von sportlichen Charakter). (Bilder, Anstiegsskizzen und Originalbeschreibung aus dem Buch "Führer durch das GESÄUSE und die Ennstaler Berge" von der 8. Auflage 1922 sowie der 10. Auflage 1954 "Gesäuseführer", beide von Heinrich Heß und Ing. Eduard Pichl. ... hier nahm das tragische Geschehen seinen Lauf ...
Absturzbericht aus den Alpenvereins-Mitteilungen 1919 - Seite 108 Über den tödlichen Absturz von Gustav Jahn und Micheal Kofler am großen Ödstein im Gesäuse ist folgendes zu berichten: Die genannten hatten am 17. August 1919 Gstatterboden frühmorgens verlassen mit der Absicht, den großen Ödstein über die Nordkante zu erklettern. Da Jahn und Kofler weder am Sonntag abends noch im Laufe des Montag nach Gstatterboden zurückgekehrt waren, machten sich dort befindliche Kameraden der beiden beunruhigt auf die Suche und fanden die zwei Vermissten im Ödsteinkar zu Füßen der Nordwand als schauderhaft verstümmelte Leichen. Der Absturz - 500 bis 600 Meter hoch - mußte im Aufstieg erfolgt sein, da im Gipfelbuch keine Eintragung zu finden war. Hanns Barth, Schriftführer und Herausgeber des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins
Abbildungen: Links Ölgemälde "Hochtorgruppe von Norden" von Bruno Hess (1888-1949) und Bild rechts, Ölgmälde "Ödsteinkante" von Robert Zinner (1904-1988).
Der österreichische Maler Robert Zinner (1904-1988), konnte noch die meisten Gemälde Jahns, anläßlich der "Gustav Jahn - Nachlassausstellung" im Dezember 1920 im Wiener Künstlerhaus, als 16 jähriger bewundern. Diese Ausstellung war prägend für den weiteren Weg des heranwachsenden jungen Malers, der fortan den Wunsch hatte, ebenfalls "Bergmaler" zu werden. Zinner, dessen Vorbild stets nur der Jahn Gustl war, hat den Schicksalsberg mit der Ödsteinkante, ebenfalls künstlerisch festgehalten. Robert Zinner, mittlerweile leider verstorben, hat in langjähriger Freundschaft zur Familie Jahn, ebenfalls tatkräftig und voller Leidenschaft an den Recherchen für unser "Gustav-Jahn-Archiv" mitgearbeitet und viele wertvolle Hinweise geliefert.
"... und dennoch, dennoch konnte ich den Bergen nicht zürnen ..." Zitat Gustav Jahn's, nachdem er bei einer gemeinsamen Tour 1903 von seinem Berggefährten und Freund Otto Laubheimer jähen Abschied nehmen musste. Sie waren beide im Abstiege vom Hochtor begriffen, als O. Laubheimer von einem losen Felsblock plötzlich zur Tiefe gerissen wurde. Gustav Jahn schrieb damals in einem Brief an seinen Tourengefährten und Freund Ing. Eduard Pichl "Die Berge ringsum glühten in feurigem Rot, als ich an der verstümmelten Leiche des armen Laubheimer stand. Und dennoch, dennoch konnte ich den Bergen nicht zürnen!"
Hofrat Ing. Eduard Pichl zum Tod von Gustav Jahn ... "Es zog voll Mut und Jugendkraft zu frohem, kühnem Wagen so mancher aus dem Morgenrot, als es begann zu tagen. Und als es wieder zu tagen begann, und wiederkehrte der Morgen, da lag er tot im öden Kar, befreit von Erdensorgen." - Gipfelgrat des Gr. Ödsteins
Zeitungsberichte über den Tod Gustav Jahns: Die Neue Freie Presse vom Donnerstag den 21. August 1919 Tödlicher Touristenabsturz des Malers Gustav Jahn Der bekannte Gebirgsmaler und Hochalpinist Gustav Jahn ist bei der Besteigung des Oedsteins in der Ennstalergruppe abgestürzt und tödlich verunglückt. Er war von dem Beamten der Staatsbahnen Michel Kofler, gleichfalls ein sehr geübter Alpinist, mit dem gemeinsam er schon zahlreiche Klettertouren durchgeführt hatte, vorige Woche nach Gstatterboden gefahren, von wo aus die beiden die Hochtornordwand und die Nordkante des Oedstein erklettern wollten. Die Durchkletterung der schwierigen Nordwand des Hochtors erfolgte in einer Rekordzeit. Die beiden gewiegten Touristen waren also in bester Verfassung. Nach einem Rasttag in Gstatterboden wurde Sonntag morgen zum Oedsteinkar aufgebrochen, von wo aus die Nordkante erklettert werden sollte. Als die beiden Touristen Montag noch nicht zurückgekehrt waren, wurden sie von einer Touristengruppe gesucht, welche die beiden Touristen tot im Oedsteinkar auffand. Die beiden Leichen sind bereits geborgen. Der Name Jahns als alpiner Maler und als Erstersteiger zahlreicher schwieriger Gipfel ist weit bekannt. Im Krieg war er Instuktionsoffizier der Bergführerabteilung. Er hatte auch als Skiläufer und Skispringer internationalen Ruf. Seine Bilder fanden, so wie die von Compton, vielen Anklang. Eine Zeitlang hatte er seine Kunst in den Dienst der großen Fremdenverkehrsreklame gestellt, welche die deutschösterreichischen Eisenbahnen ins Werk gesetzt hatten. Seine Illustrationen und Plakatzeichnungen sind jedem Freunde unserer Alpenwelt bekannt. << Download PDF von dieser Zeitung (10,6 MB) >> **************************************************************** Die Neue Zeitung vom Freitag, den 22. August 1919 Touristenunglück im Gesäuse Aus Johnsbach wird berichtet, daß der bekannte Gebirgsmaler und Hochalpinist Gustav Jahn mit einem seiner touristischen Begleiter, dem Beamten Michael Kofler aus Wien, bei einem Versuche, den Oedstein von Norden aus zu besteigen, abgestürzt ist. Beide Touristen wurden tot aufgefunden. Die Mutter Jahns wurde von dem traurigen Ende ihres Sohnes in schonender Weise benachrichtigt. << Download PDF von dieser Zeitung (2,1 MB) >> **************************************************************** Reichspost vom Freitag, den 22. August 1919 GUSTAV JAHN Der Mann, dem man heute auf dem kleinen Johnsbacher Friedhof sein Grab schaufelt, war den Bergen verfallen mit all seiner Liebe, mit seiner ganzen Kunst, nun auch mit seinem Leben. Jeder, der ihn kannte, wusste, dass er in den Bergen sterben werde. Er selber wußte es und wünschte es. Es hätte unnatürlich und unharmonisch gewirkt, wenn dieser Mann an irgendeiner der landläufigen Krankheiten daheim in seinem Bette gestorben wäre. Als ich heute, erschüttert durch die eben gelesene Zeitungsnachricht, einen Bekannten auf der Gasse fragte: „Wissen Sie schon, daß Gustav Jahn tot ist?“ fragte dieser, schmerzlich und tief betroffen: „Wo … wo ist er abgestürzt?“ So wie man bei ähnlichen traurigen Mitteilungen zu fragen pflegt: „Und was hat ihm denn gefehlt?“ Freilich haben wir alle uns und wohl auch er selber sich diesen Bergtod in irgend einer fernen Zukunft vorgestellt und der kraftstrotzende Mann, der sich jeder alpinen Aufgabe gewachsen erwies, dieser Vierzigjährige, der sich mit der jugendlichen Straffheit aller seiner Sinne und Glieder immer noch zu den Jünglingen zählen und gesellen durfte, sah nicht eben wie ein beständiger Todeskandidat aus. Aber es wird schon so sein, wie das lateinische Sprichwort sagt: dass wir mitten im vollsten, prangendsten Leben dem Tode am nächsten sind. Gustav Jahn, der Meister des alpinen Skilaufes und Sprunges, der schlechthin vorbildliche Alpinist. Sein Bergsteigen und Felsklettern war die Befriedigung einer im tiefsten Grunde ethischen Leidenschaft. Die Art, wie manche Alpinisten das schwere Klettern im Fels betreiben, hat diesen edlen Sport oft genug den Vorwurf eingetragen, er sei nichts anderes, als in die Berge verlegte Turnerei. Von diesem Vorwurf hat Gustav Jahn für sich und den Kreis seiner Freunde seinen geliebten Sport gründlich befreit, indem er was der edle Bergsteiger im Hochgebirge empfindet in wahren Hochgesängen seines Pinsels verkündigte. Wenn sich dieser Sport höchste Achtung errang, wenn die Leute, die da in Nagelschuhen und Lodenjoppe, mit dem Rucksack und dem Kletterseil am Samstag auf den Bahnhof eilen, nicht mehr als Sportfetzen gehöhnt und belächelt werden, nicht mehr die Zielscheibe von spöttischen Volksfängerliedern abgaben, so hat an solchem Umschwung der öffentlichen Wertung Gustav Jahn kein geringes Verdienst. Denn auch dem Nichtalpinisten kündigten seine Bilder, in denen sich schwärmerische, inbrünstige Liebe ausdrückte, die Schönheit des Hochgebirges. Jedermann musste empfinden oder wenigstens ahnen, was die Berge dem waren, der sie so darzustellen vermochte. Unmöglicher noch als ein Dichter, der die Berge vom Tale aus besingt, wäre ein Maler, der sie von der sicheren Geborgenheit einer Hotelterrasse aus malt. Sie sind nämlich nicht so, wie sie von unten aussehen. Sie sind so frostig und einfach, nicht so lächelnd und zierlich, wie wenn man sie vor 50 oder noch vor 20 Jahren darzustellen liebte. Gustav Jahn, der um alle ihre Grauen, ihre Schrecken und Gefahren wußte, wie kaum ein zweiter, hat sie dargestellt, wie sie sind. Segantini führte, um die Berge malen zu können, monatelang ein dürftiges Einsiedlerleben in hochgelegenen Almhütten. Er stellte die Berge so dar, wie er sie von dort aus sah. In ihre letzten Geheimnisse, in die von ewigen Eis erfüllte Einsamkeit der Felsschlucht, in die hoheitsvolle Abgeschiedenheit der nur vom Schatten der Wolken und von scheuen Bergsohlen besuchten Grate ist er nicht eingedrungen. Das alles hat Jahn erkundet und dargestellt in vielen hundert Bildern und Zeichnungen. Und er hat gezeigt, daß auch die „öde“ Felswildnis voll malerischer, ja voll erschütternd großen Schönheit ist, freilich voll einer herben, nur dem Kühnsten zugänglichen, nur unter höchsten Einsätzen erkämpften Schönheit. Wie die zukünftige Kunstkritik das Schaffen Jahns, das nunmehr so plötzlich beendet ist, einschätzen wird, in welcher Entfernung oder Nähe von Segantini oder Compton sie ihm seinen Platz in der Kunstgeschichte anweisen wird, vermögen wir nicht zu sagen. Wir wissen nur, daß allen, die heute die Berge kennen und lieben, seine „Technik“ der Darstellung als die getreuste und glücklichste erscheint. Er hat sie gottlob nicht ins Grab mitgenommen, denn schon hat eine ganze Reihe anderer, jüngerer Künstler an ihm gelernt, so etwa der junge Stoitzner oder Emmerich Schaffran. Der kleine Johnsbacher Friedhof birgt manches Bergsteigergrab. Viel Elterntränen sind hier geflossen, viel frohe, kühne Jugend hat hier allzu früh geendet. Name an Name „abgestürzt“, „Tod in den geliebten Bergen“. Ein Bergsteigerfriedhof wie jener von Heiligenblut. Die Berge des Ennstales umstehen ihn in gewaltiger Runde und stehen auf ihn nieder, insbesondere der Oedstein, auf dem der unvergeßliche Mann seinen Todessturz tat, dem heute dort sein Grab in die steinige Erde geschaufelt wird. Unnötig seinem Andenken durch Marmortafel und Nachruf Dauer zu geben. Sein Werk sorgt dafür, seinen Namen lebendig zu halten, solange Menschen leben, welche die Berge lieben. Hans Brecka
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